Sobald aus einem Liebespaar ein Elternpaar wird, scheint die Gleichberechtigung oft zu enden. Obwohl sich Männer und Frauen in vielen Lebensbereichen annähern, rutschen viele Paare ganz automatisch in traditionelle Rollen, sobald ein Kind geboren wird. Warum ist das so? Und, warum fällt es so schwer, die Verantwortung wirklich fair zu teilen? In diesem Artikel erhaltet ihr Antworten – und konkrete Tipps, wie es euch gelingen kann, eine gleichberechtigte Elternschaft zu leben.
Gleichberechtigte Elternschaft, auch Equal Care genannt, umfasst die faire Aufteilung von Haus-, Fürsorge- und Erwerbsarbeit sowie der mentalen Last zwischen euch als Elternteile.
Unter den Begriff Hausarbeit fallen Tätigkeiten wie beispielsweise das Einkaufen von Lebensmitteln, das Zubereiten von Mahlzeiten, das Reinigen der Wohnung, die Instandhaltung von Fahrzeugen, wie Autos oder Fahrräder, sowie die Recherche und der Abschluss von Versicherungen. Es sind jene Aufgaben, die meist gut greifbar sind und sich in einer gleichberechtigten Elternschaft gut aufteilen lassen.
Die Fürsorgearbeit, auch Carearbeit genannt, ist jene Arbeit, die ihr für das Wohlergehen der Familie insgesamt und für jedes einzelne Familienmitglied leistet, wie auch für Freunde und Angehörige. Darunter fällt generell die Betreuung von Kindern, deren Körperpflege wie duschen, Fingernägel schneiden oder wickeln, die emotionale Begleitung, die Planung und Organisation von Playdates und Geburtstagen sowie das Besorgen von Geschenken und Kleidung.
Die Haus- und Fürsorgearbeit erfordern insgesamt einen hohen zeitlichen und organisatorischen Aufwand und zapfen die emotionalen Ressourcen an. Beiden gemein ist, dass sie unsichtbar stattfinden. Sie werden in der Gesellschaft als selbstverständlich erachtet und als natürlicher, liebevoller Akt – meist von Müttern – interpretiert. Beide eint zudem die Tatsache, dass eine Reduzierung des Umfangs bzw. der Aufgaben an sich keine Option ist. Sprich, als Mutter oder Vater kann ich die Haus- und Carearbeit nicht einfach reduzieren oder komplett niederlegen. Denn das hätte direkte negative Auswirkungen auf das Wohlergehen der Kinder und der zu pflegenden Angehörigen.
Die Erwerbsarbeit ist jener Teil von Arbeit, über den sich die meisten von uns definieren und der in der Regel den Lebensunterhalt sichert. In unserer Leistungsgesellschaft wird die Erwerbsarbeit leider weiterhin als deutlich wertvoller angesehen als Haus- und Fürsorgearbeit. Einer der Gründe ist, dass Erwerbsarbeit vergütet wird, Haus- und Carearbeit jedoch unbezahlt ist und, wie bereits geschrieben, meist unsichtbar hinter „geschlossenen“ Türen stattfindet. Geld bzw. im Besonderen ein hohes Erwerbseinkommen gilt als DER Maßstab für Wertschätzung, Anerkennung und Status. Diesen Effizienzgedanken unterstreicht auch die Tatsache, dass Erwerbsarbeit durch Produktivität, Zahlen und Ergebnisse messbar ist, während die Wirkung von Carearbeit oft schwer quantifizierbar ist.
Der Mental Load findet im Kopf statt – still & unsichtbar
Die mentale Last, der sogenannte Mental Load, ist jener Teil der Fürsorgearbeit, der im Kopf und damit ebenfalls unsichtbar stattfindet. Generell gesprochen, geht es um das Erfassen, Planen und Organisieren aller Tätigkeiten, die für die Haus- und Fürsorgearbeit anfallen. Oder einfacher formuliert: Es geht ums daran denken.
Hierunter fallen Gedanken, wie
Windeln kaufen, wenn nur noch 10 Stück da sind
Am Abend oder Morgen Wechselkleidung für die KiTa richten
ein Playdate fürs Kind vereinbaren
leer gegangene Lebensmittel unmittelbar auf der Einkaufsliste notieren
eine Erinnerung für den nächsten Vorsorgetermin fürs Kind im gemeinsamen Kalender eintragen
Der Hauptanteil des Mental Load liegt in einer Paarbeziehung mit oder ohne Kinder aufgrund unserer sozialen Prägung immer noch bei der Frau. Meist umschreiben Frauen und Mütter es mit dem Gefühl, dass der „Kopf bald platzt.“
Sich all die genannten Aufgaben fair aufzuteilen, ist der Kern von gleichberechtigter Elternschaft. Insbesondere Mütter erfahren damit eine reelle Chance auf Entlastung und es entstehen mehr freie Ressourcen, unter anderem für Erwerbsarbeit. Gleichzeitig wird es Vätern ermöglicht, Verantwortung zu übernehmen, etwaige Wissensrückstände in der Haus- und Fürsorgearbeit abzubauen sowie eine engere Bindung zu den eigenen Kindern aufzubauen.
Wie genau eine für euch gerechte(re) Aufteilung aussieht, hängt davon ab, was ihr beide als fair empfindet. Ihr folgt also keinem Schema F, sondern fokussiert euch auf eure individuellen Vorstellungen, Wünsche und Bedürfnisse. Konkrete Tipps, die euch dabei im Alltag unterstützen können, verrate ich euch weiter unten im Text
Warum ist Equal Care immer noch die Ausnahme?
Im Vergleich zu früheren Generationen nehmen sich die meisten gleichgeschlechtlichen Paare in Deutschland heute in vielen Lebensbereichen deutlich gleichberechtigter wahr:
Frauen und Männer können die gleichen Fächer studieren.
Sie unterstützen sich gegenseitig in ihren beruflichen sowie persönlichen Zielen.
Beide haben ein Mitspracherecht bei finanziellen Themen und splitten die anfallenden Kosten auf.
Im Idealfall teilen sie Aufgaben wie Kochen, Putzen und Einkaufen untereinander auf.
Und dennoch: Wie eingangs beschrieben, fallen Paare in traditionell geprägte Rollenbilder zurück, sobald sie Eltern werden. Diesen Aspekt unterstreicht die Publikation „Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit bei Eltern: Wunsch und Wirklichkeit liegen teils weit auseinander“ vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Als Gründe werden beispielsweise das deutsche Steuersystem und fehlende sowie unzureichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten genannt.
Verwunderlich ist dieser Effekt auch deshalb nicht, weil die meisten von uns ein klassisches Rollenbild als Vorbild hatten: Die Frau kümmert sich in ihrer Rolle als Mutter um Kind(er) und Haushalt, während der Mann als Vater die Rolle des Ernährers übernimmt. Wir sind also auf individueller und gesellschaftlicher Ebene sehr stark geprägt.
Eine gleichberechtigte Elternschaft auf Augenhöhe führen – 4 Tipps, die euch im Alltag unterstützen
In diesem Abschnitt möchte ich euch gerne eine kleine Auswahl an Tipps vorstellen, die euch dabei helfen (können), eine gleichberechtige Elternbeziehung in eurem Alltag aufzubauen und sie insgesamt gerechter zu leben.
Tipp 1 zur gleichberechtigten Elternschaft– Aufgaben sichtbar machen & fair teilen
Um eine für euch faire Aufteilung für die Care-, Haus- und Erwerbsarbeit zu erreichen, könnt ihr in einem 1. Schritt aufschreiben, welche Aufgaben für Haus- und Fürsorgearbeit anfallen und wer momentan welche davon übernimmt. Eine sehr niederschwellige Variante ist es, Post-its zu nutzen. Sobald ihr eine Aufgabe ausführt, wie beispielsweise kochen oder Windeln wechseln, schreibt ihr diese auf ein Post-it. Den Zettel klebt ihr dann auf die Küchentür oder einen anderen Ort, der für euch gut sichtbar ist.
Je nachdem, wie viel Zeit euch zur Verfügung steht und/oder ihr investieren möchtet, könnt ihr bei den einzelnen Tätigkeiten zusätzlich notieren, wie viel Zeit ihr benötigt, um die Aufgabe(n) zu erledigen. Die erstellte Übersicht hilft zunächst dabei, alle anfallenden Tätigkeiten und die Arbeitslast sichtbar(er) zu machen.
Lasst euch Zeit
Die Erstellung der Übersicht darf ein Prozess sein, der mehrere Tage dauern kann. Ein Zeitraum von maximal zwei Wochen ist in der Regel ausreichend. Sobald ihr für euch das Gefühl habt, dass die Liste vollständig ist, könnt ihr in den Dialog gehen und reflektieren, an welchen Stellen sich die aktuelle Aufteilung für euch beide gut oder weniger gut anfühlt. Gleichzeitig könnt ihr euch austauschen, wie eine für euch optimale und faire Aufteilung entsprechend eurer individuellen Vorstellung aussehen könnte. Behaltet dabei stets im Hinterkopf, dass Haus-, Care- und Erwerbsarbeit den gleichen Stellenwert haben. Mithin sollte der Elternteil, der aktuell mehr Erwerbsarbeit leistet, nicht von der Carearbeit „befreit” sein.
Die Idee: fehlendes Bewusstsein schärfen
Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung von Ende Januar 2025 zeigt auf, dass Männer in heterosexuellen Paarbeziehungen ihren Beitrag zur Hausarbeit massiv überschätzen.
Gleichzeitig wird deutlich, dass Frauen deutlich mehr Zeit in Hausarbeit und Kinderbetreuung stecken als der Partner. Ein Grund für diese unterschiedliche Wahrnehmung ist, dass zumeist Männer mehr Erwerbsarbeit leisten und ihnen dadurch oft das Bewusstsein für die anfallenden Aufgaben rund um Care- und Hausarbeit fehlt.
Problematisch ist diese wahrgenommene und auch reale Ungleichverteilung der Haus- und Sorgearbeit besonders für Frauen. Aufgrund der höheren zeitlichen Belastung für die Familie, steht der Frau weniger Zeit für die Erwerbsarbeit zur Verfügung. Das wiederum zieht hohe finanzielle Nachteile nach sich, wie ein geringeres Einkommen und, perspektivisch, eine geringere Rente.
Seid ihr euch hingegen bewusst, welche Aufgaben in welchem Umfang anfallenund wer verantwortlich ist, wird deutlich, welchen Beitrag ihr beide jeweils leistet.
Tipp 2 zur gleichberechtigten Partnerschaft– in den Dialog gehen
Geht miteinander in den Dialog und tauscht euch über eure Vorstellung rund um eine gleichberechtigte Elternschaft aus. Die nachfolgenden Leitfragen könnt ihr als Orientierung für euer Gespräch nutzen:
Wie stellt ihr euch eine Beziehung auf Augenhöhe generell vor?
Was läuft heute schon gut und was weniger gut in der Aufteilung von Haus-, Care- und Erwebsarbeit sowie dem Mental Load?
Welche Erwartungen und Wünsche habt ihr an eure*n Partner*in hinsichtlich einer fairen Aufteilung von Care-, Haus- und Erwerbsarbeit?
Welche Bedürfnisse hat jede*r von euch, beispielsweise in Bezug auf berufliche (Weiter-) Entwicklung, Freizeitgestaltung, Sport, Schlaf etc.?
Welchen Beitrag kann jede*r von euch jeweils zu einem gleichberechtigten Miteinander leisten?
Ich persönlich finde es immer gut, sich für das Gespräch einen festen Termin im Kalender zu blocken. So könnt ihr euch im Vorfeld Gedanken machen und diese anschließend austauschen. Zusätzlich kann es hilfreich sein, die von euch besprochenen Vorstellungen, Erwartungen und Wünsche schriftlich festzuhalten.
Die Idee: Ciao zu der Illusion „Gleichberechtigung bedeutet eine 50/50-Aufteilung”
Auch wenn das in den Köpfen vieler Paar fest verankert ist: Eine gleichberechtigte Beziehung heißt nicht automatisch, dass alle anfallenden Aufgaben sowie der Mental Load exakt zu gleichen Teilen zwischen euch aufgeteilt sein müssen. Das Streben nach einer 50/50- Aufteilung kann stattdessen sehr unter Druck setzen, wenn es nicht so „funktioniert“, wie ihr euch das vorgestellt. Im schlimmsten Fall seid ihr nur noch damit beschäftigt, gegeneinander aufzurechnen, wer was übernommen hat.
In einer gleichberechtigten Elternschaft geht es vielmehr darum, dass ihr für euch als Paar eine Aufteilung findet, die sich sowohl für euch als Einzelperson als auch als Paar gleichwertig und stimmig anfühlt. Seid ihr euch dessen bewusst, reduziert ihr Druck und damit ein mögliches Konfliktpotenzial zwischen euch.
Tipp 3 zur gleichberechtigen Elternschaft – feste Strukturen & Verantwortlichkeiten etablieren
Eine Elternschaft erfordert per se viel Koordinations- und Abstimmungsaufwand, weil alltägliche und wiederkehrende Aufgaben verteilt, geplant und koordiniert werden müssen. Mithilfe der zwei vorgestellten Schritte schärft ihr das Bewusstsein dafür, welche Aufgaben im Alltag anfallen und wie für euch eine gleichberechtigte Elternschaft ausgestaltet sein darf.
Trotz dieser Basis haben viele Paare dennoch das Gefühl, in den alltäglichen Abstimmungen unterzugehen. Viele Paare wählen dann, meist unbewusst, den vermeintlich einfacheren Weg einer ungleich verteilten Partnerschaft, in der „die Mutter den Alltag managt” und der Vater „mithilft”.
Um nicht in diese Falle zu tappen, ist es sinnvoll, den Planungs- und Abstimmungsaufwand im Alltag so gering wie möglich zu halten. Das gelingt euch am besten, wenn ihr feste Strukturen und Abläufe etabliert und klare Verantwortlichkeiten definiert. Im Detail kann das für euch Folgendes bedeuten:
klare Aufgabenbereiche definieren, wie beispielsweise, dass ein Elternteil den Wocheneinkauf erledigt, der andere für die KiTa-Organisation zuständig ist und Arzttermine vereinbart
Routinen festlegen, wie beispielsweise ein fester Planungstag pro Woche für die Folgewoche, ein fixer Einkaufstag pro Woche, fester Wechsel bei Bring- und Abholdiensten etc.
Pflege eines gemeinsamen Kalenders
To-do- und Einkaufslisten-Apps nutzen, um Einkäufe und Haushaltsaufgaben zu koordinieren
Die Idee: Konfliktpotenzial und Druck minimieren
Der größte Mehrwert von festen Verantwortlichkeiten und einer klaren Aufgabenverteilung besteht darin, dass es insgesamt zu weniger Rückfragen kommt, beide Elternteile eigenverantwortlich agieren können und sich insgesamt entlastet fühlen. Behaltet bei eurer Abstimmung im Blick, dass es nicht darum geht, wem welche Aufgabe leichter fällt und/oder wer sie schneller erledigt, sondern dass es sich für euch beide gut und fair anfühlt.
Tipp 4 zur gleichberechtigten Elternschaft –gegenseitige Wertschätzung füreinander aufbauen
Fehlende gegenseitige Wertschätzung mündet im Alltag häufig in Frustration, Wut, dem Gefühl von Ungerechtigkeit und/oder Enttäuschung. Im Verlauf der Zeit kann es dazu führen, dass Eltern sich ausschließlich als ein funktionierendes Elternpaar wahrnehmen und eine emotionale Distanz zueinander aufbauen.
Hier einige Ideen und Impulse, wie ihr euch ganz leicht mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung im Alltag schenken könnt:
ein bewusstes „Danke” für alltägliche Dinge, die sonst eher als selbstverständlich gelten, wie beispielsweise die Zubereitung des Frühstücks. So signalisiert ihr euch gegenseitig, dass ihr den anderen seht und wahrnehmt.
Raum für Gespräche etablieren, die abseits von alltäglicher Organisation und Abstimmung stattfinden. Sie es ermöglichen, euch gegenseitig zu berichten, wie es euch geht und was euch aktuell beschäftigt.
gemeinsame Rituale schaffen, wie beispielsweise 10 Minuten am Abend ohne Kind(er) gemeinsam auf der Couch verbringen oder den morgendlichen Kaffee gemeinsam genießen.
Wichtig ist es, dass ihr für EUCH passende Methoden findet, die für EUCH im Alltag funktionieren. Das Geschenk der gegenseitigen Wertschätzung soll weder Druck erzeugen noch zu einem weiteren To-do für euch werden. Vielmehr darf es euch mehr Freude und Leichtigkeit in eure Beziehung bringen.
Die Idee: Verbundenheit spüren
Als Elternpaar kann es eine Herausforderung sein, sich als Liebespaar nicht aus den Augen zu verlieren. Wenn ihr euch gegenseitig das Gefühl gebt, einander zu sehen und das Tun des anderen wertzuschätzen, fühlt ihr euch deutlich stärker miteinander verbunden. Weitere Vorteile sind:
Ihr schützt euch davor, euch zu entfremden und nur noch als Paar zu funktionieren.
Ihr bringt mehr Leichtigkeit in euren Alltag und empfindet mehr Freude in eurer gleichberechtigten Elternschaft.
Ihr bringt mehr Stabilität in eure Beziehung und agiert als Vorbilder für euer(e) Kind(er).
Hindernisse auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Elternschaft
In ihrem Buch „Musterbruch – Überraschende Lösungen für wirkliche Gleichberechtigung” schreibt Patricia Cammarata, dass in Deutschland nur circa 15 % aller Elternpaare eine gleichberechtigte Elternschaft leben.
Auf den ersten Blick sind 15 % ein ernüchternder und gleichzeitig wenig überraschender Wert. Denn: Zum einen spiegelt diese niedrige Prozentzahl die eingangs beschriebene Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit wider. Zum anderen macht dieser Wert deutlich, dass eine gleichwertige Partnerschaft mit Kind(ern) für viele Paare weiterhin die Ausnahme und eine Randerscheinung darstellt.
Dass viele Paare an einer gleichberechtigten Elternschaft scheitern, hat weniger mit einem persönlichen Scheitern von euch zu tun, sondern vielmehr mit tief verankerten gesellschaftlichen Mustern.
Strukturelle Hürden
Zu den systembedingten Hürden, die eine gleichrangige Elternschaft erschweren können, zählen beispielsweise:
fehlende oder unzureichende Betreuungsmöglichkeiten, die es verhindern, dass beide Elternteile einer Teil- oder Vollzeittätigkeit nachgehen können
Arbeitgeber, die flexible Arbeitszeiten und/oder Teilzeittätigkeit ablehnen
finanzielle Anreize durch das Steuersystem, wie das Ehegattensplitting, das verheiratete Paare steuerlich begünstigt
die Gender Pay Gap, die sogenannte geschlechtsspezifische Lohnlücke, die aussagt, dass Frauen im Durchschnitt immer noch 18 % weniger verdienen als Männer. In der Konsequenz führt das häufig dazu, dass Männer lediglich kurz Elternzeit nehmen und, weil es „finanziell besser ist”, der Mann weiterhin einer Vollzeitbeschäftigung nachgeht und die Frau Teilzeit arbeitet – obwohl der Wunsch nach einer gleichwertigen Partnerschaft besteht
Der Erwerbsarbeit wird in unserer kapitalistischen Gesellschaft ein deutlich höherer Stellenwert zugeschrieben als der unbezahlten und unsichtbaren Haus- und Fürsorgearbeit. Männer definieren sich aufgrund ihrer sozialen Prägung stärker als Frauen über die Erwerbsarbeit. Diese Tatsache ist eine weitere Erklärung, warum es besonders Männern schwerfällt und schwer gemacht wird, beruflich für die Familie zurückzutreten.
Erwartungen & gesellschaftlicher Druck
Fest in unserer Gesellschaft verankerte Rollenbilder wie „Der Vater als Hauptverdiener” und „Die gute Mutter bleibt zu Hause” erschweren es Eltern ebenfalls, eine Partnerschaft auf Augenhöhe führen zu können. Obwohl viele Männer den Wunsch äußern, sich mehr an der Haus- und Carearbeit beteiligen zu wollen, werden sie vom Arbeitgeber schief angeschaut, wenn sie mehr als ein oder zwei Monate Elternzeit nehmen oder die reguläre Wochenarbeitszeit reduzieren wollen. Gleiches gilt für die Frau, nur umgekehrt: Sie erfährt viel Unverständnis, wenn sie nicht automatisch die „natürliche” Hauptbezugsperson für das Kind ist, weil sie beispielsweise zügig nach der Geburt wieder arbeiten geht oder sich „traut”, in Vollzeit zu arbeiten, während das Kind durch den Vater oder fremdbetreut wird.
Mangel an Vorbildern, Bequemlichkeit & das fehlende Verständnis für eine gleichberechtige Elternschaft
Eltern haben häufig in der eigenen Kindheit eine klassische Rollenverteilung (mit-) erlebt. Besonders Vätern fehlt es an männlichen Vorbildern und schlicht an der Erfahrung, wie sie sich in die Haus- und Carearbeit einbringen können. Anstatt anzupacken, flüchten sie sich daher in eine für sie bequeme Position und in Nachfragen gegenüber der Frau wie „Was kann ich machen oder übernehmen?” oder „Wie kann ich dich unterstützen?”. Bei der Frau löst das meist das Gefühl aus, ein weiteres Kind im Haus zu haben. Das Gute: Den fehlenden Erfahrungs- und Wissensvorsprung kann man(n) aufholen. Die Voraussetzung ist, dass man(n) bereit ist, zu lernen und Verantwortung zu übernehmen und Frau sich die Erlaubnis gibt, Verantwortung abzugeben.
Zudem fehlen Vorbilder im Freundes- und Bekanntenkreis. Häufig haben Eltern in ihrem näheren oder weiteren Umfeld keine Eltern, die eine gleichberechtigte Elternschaft anstreben. Der Austausch mit Gleichgesinnten fehlt. Das wiederum kann das Gefühl verstärken, Einzelkämpfer zu sein. Wenn Schwierigkeiten auftauchen, erhöht es das Risiko, den vermeintlich leichteren Weg zu gehen und in die traditionelle Rollenprägung zurückzufallen. Hinzu kommt, dass viele Paare Unverständnis und Kopfschütteln aus dem Umfeld erfahren. Ein „Alleinurlaub” oder eine „Geschäftsreise” der Mutter wird dann mit Sätzen wie „Wer kümmert sich denn in der Zeit um das Kind/die Kinder?” kommentiert.
Ein Zitat, dass die beschriebenen Schwierigkeiten auf den Punkt bringt, kommt von Nils Pickert aus seinem Buch „Lebenskompliz*innen: Liebe auf Augenhöhe”:
„Gleichberechtigte Elternschaft kriegen Sie nur gegen das System hin. Gegen politische Entscheidungen, gegen die Nachbarschaft, gegen das Geflüster beim Kuchenbasar in der Schule.”
„Gleichberechtigte Elternschaft kriegen Sie nur gegen das System hin. Gegen politische Entscheidungen, gegen die Nachbarschaft, gegen das Geflüster beim Kuchenbasar in der Schule.”
Nils Pickert
Falls bei euch beim Lesen der Eindruck entstanden ist, dass eine gleichberechtigte Elternschaft ganz schön herausfordernd ist, dann liegt ihr richtig. Es wird Hindernisse geben. Und ja, der Weg dahin fühlt sich eher wie eine wilde Achterbahnfahrt an – statt wie eine gemütliche Gondelfahrt durch Venedig. Und dennoch: Es lohnt sich!
Warum ihr von einer gleichberechtigten Elternschaft profitiert – 5 Gründe
Eine gleichberechtigte Elternschaft bietet zahlreiche Bereicherungen: für euch als Paar, für jede*n von euch auf der individuellen Ebene, für euch als Familie und auf der gesellschaftlichen Ebene. Eine kleine Auswahl (aus unzähligen Gründen) möchte ich euch nachfolgend vorstellen:
Weniger Stress & Überlastung
Wenn ihr euch als Elternpaar die Haus- und Carearbeit sowie den Mental Load fair aufteilt, kann das dazu beitragen, dass ihr euch insgesamt weniger gestresst und überfordert fühlt. Gemeinsame Absprachen geben zudem Sicherheit, im Sinne der „Nicht-Zuständigkeit”. Das ist ein Aspekt, der besonders für Mütter eine hohe Relevanz hat: Aufgrund ihrer sozialen Prägung fühlen sie sich häufig für alle und alles zuständig. Die Absprachen zu klaren Zuständigkeiten innerhalb eurer Beziehung können dazu beitragen, dass sie klar weiß, wann sie freie Zeit zur Verfügung hat.
Eure Beziehung wird gestärkt
Eine gleichberechtigte Elternschaft führt zu mehr Zufriedenheit in der Partnerschaft, da die Verantwortung für die anfallenden Aufgaben geteilt wird. Ein „Wir schaffen das gemeinsam” kann zu mehr Verbundenheit zwischen euch führen. Dadurch sinkt das Potenzial für Konflikte und ein ständiges gegeneinander Aufwiegen, wer mehr für die Care- und Erwerbsarbeit leistet. Gleichzeitig steigt die gegenseitige Wertschätzung, da beide Elternteile erleben, welche Aufwände für Haus- und Carearbeit anfallen.
Freiräume für die persönliche Entwicklung & Freizeitgestaltung sind für beide vorhanden
Ist klar definiert, wer für was und wann zuständig ist, kann das Zeit für Hobbys, Treffen mit Freunden oder für Alleinzeit freisetzen. Der große Mehrwert: Freie Zeit bedeutet auch, dass jede*r von euch, die eigenen Akkus aufladen kann. Das wiederum hat den positiven Effekt, dass ihr über mehr Ressourcen im Alltag verfügt und dadurch eurem Partner/eurer Partnerin wohlwollender entgegentretet und entspannter im Umgang mit eurem Kind/euren Kindern seid.
Faire Aufteilung der Erwerbsarbeit & gleiche berufliche Chancen
Ein Vorteil, der mir persönlich sehr am Herzen liegt und der für mich einer DER wichtigsten Gründe für eine gleichberechtigte Elternschaft ist: Frauen haben eine reelle Chance auf Teilhabe am Erwerbsleben und in der Folge auf ein gutes Erwerbseinkommen – und, sofern gewünscht, auf eine berufliche Karriere, was insgesamt ein höheres Lebenseinkommen und eine bessere Rente nach sich zieht.
Gleichzeitig sinkt das Risiko, dass die Frau in die Teilzeitfalle rutscht und mithin über viele Jahre hinweg ihre Arbeitszeit deutlich reduziert, während der Mann Vollzeit arbeitet. Zudem kann die Frau dem Wunsch nachgehen, sich beruflich weiterzuentwickeln, anstatt hinzunehmen, dass dieser Wunsch mit dem Mamawerden wie eine Seifenblase zerplatzt. Ein weiterer Aspekt: Frauen sind finanziell unabhängig und frei.
Mehr Gleichberechtigung auf gesellschaftlicher Ebene
Wenn ich in meine persönliche, rosarote Bubble von einer besseren Welt eintauche, dann sehe ich ganz viele Paare, die eine Elternschaft auf Augenhöhe leben – jenseits der derzeitigen 15-Prozent-Marke – und damit einen Beitrag leisten, dass geschlechtsbedingte Stereotype sich peu à peu auflösen. Ich sehe gerechtere Karriere- und Einkommenschancen für beide Elternteile. Ich sehe langfristig stabilere Beziehungen und weniger Trennungen. Ich sehe flexiblere Arbeitsmodelle, Väter, die Verantwortung übernehmen und Mütter, die mehr Chancen haben. Vor allem aber sehe ich deutlich mehr Liebe in dieser Welt.
Fazit – Es lohnt sich
Was ich euch zum Abschluss gerne mitgeben möchte: Wie bereits geschrieben, ist es kein leichtes Vorhaben, eine gleichberechtigte Elternschaft zu leben. Vermutlich werden euch als Paar auf der individuellen Ebene, aufgrund eurer sozialen Prägungen, wie auch auf der gesellschaftlichen Ebene sehr viele Stolpersteine begegnen. Dennoch hoffe ich, dass ich euch mit diesem Text einerseits aufzeigen konnte, welchen Mehrwert eure Beziehung durch mehr Gleichwürdigkeit erfahren kann. Zum anderen hoffe ich, dass ich euch Mut zusprechen konnte, loszugehen. Teilt gerne in den Kommentaren, was ihr für euch aus dem Blogartikel mitgenommen habt und inwiefern die vorgestellten Tipps für euch im Alltag hilfreich sind.
Wenn ihr euch eine Begleitung auf eurem individuellen Weg zu einer erfüllenden Elternschaft wünscht, in der ihr beide erfahrt und leben könnt, was ihr euch wünscht, meldet euch gerne bei mir. Ich freue mich darauf, gemeinsam mit euch herauszufinden, was ihr als Paar braucht, um auf Augenhöhe zu sprechen, und statt Konkurrenz mehr Wertschätzung sowie Verbundenheit zu spüren. Ein unverbindliches Erstgespräch könnt ihr hier vereinbaren.
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